Es waren die Jungen, die die tunesische Revolution vor sechs Jahren organisierten – doch bis heute sind sie in der Politik kaum präsent. Die Aktivisten sind enttäuscht.

„Das war doch dumm. Ich habe ihnen einfach die Tür aufgemacht.“ Sofien Belhaj schüttelt lächelnd den Kopf, wenn er an seine Festnahme am 6. Januar 2011 zurückdenkt. Eigentlich hatte er sich schon auf diesen Moment vorbereitet und geplant, wie er flüchten könne, sollten eines Tages die Sicherheitskräfte von Ben Ali vor der Tür stehen. „Sie kamen um fünf Uhr morgens. Eine innere Stimme sagte mir in dem Moment, ich sollte mich stellen.“ Belhaj öffnet die Tür. Die Polizei beschlagnahmt seinen Rechner und nimmt den damals 28-Jährigen mit ins Innenministerium. Unter dem Pseudonym Hamadi Kaloutcha hatte Belhaj auf Facebook zensierte Artikel und Wikileaks-Dokumente geteilt, um sie einer möglichst breiten Öffentlichkeit in Tunesien zugänglich zu machen, wo das Internet strengstens überwacht wurde. „Dass ich erfolgreich war, habe ich erst durch meine Verhaftung erfahren.“
Vier Tage saß er damals in dem grauen Betonklotz an der Avenue Bourguiba mitten in der Innenstadt von Tunis fest. Die Polizei wollte von ihm erfahren, wer die Cyberdissidenten sind, die im Internet Stimmung gegen die Regierung machen. Sie blieben erfolglos und ließen den jungen Mann, der neben dem tunesischen auch einen belgischen Pass hat, wieder frei.
Wenige Tage später, am 14. Januar, demonstrierte Belhaj vor dem Ministerium zusammen mit Zehntausenden gegen das Regime des damaligen Machthabers Zine El Abidine Ben Ali. Der flieht nach Saudi-Arabien und in Tunesien beginnt, was später als arabischer Frühling bezeichnet werden wird. „Dass wir heute hier sitzen können und in aller Öffentlichkeit ein Interview führen, nur wenige Meter vom Ministerium entfernt, das ist revolutionär“, sagt er. „Arbeit, Freiheit, Würde“ lautete der Slogan der Proteste in Tunesien damals. Während die Meinungsfreiheit eine der unumstrittenen Errungenschaften des politischen Umbruchs ist, geht es in anderen Bereichen bis heute nur langsam voran.

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