Der jüdische Tourismusminister René Trabelsi gilt in Tunesien als Mann vom Fach. Doch diskutiert wurde bei seinem Amtsantritt vor allem über seine Religion. Ein Treffen in Tunis.

Von der Fensterfront seines Büros aus schaut René Trabelsi direkt aufs Zentrum von Tunis, auf den Platz des 14. Januars, das Innenministerium und die Avenue Bourguiba. Hier, auf der Hauptstrasse von Tunis, gingen vor acht Jahren Zehntausende gegen Diktator Ben Ali auf die Strasse. Ohne die damalige Revolution wäre der 56-Jährige heute wohl nicht da, wo er ist.

Trabelsis Profil ist für einen tunesischen Minister in mehrerer Hinsicht bemerkenswert: ein französisch-tunesischer Reiseunternehmer ohne politische Erfahrung und ohne Parteibuch, der kein Studium vorweisen kann und noch dazu der kleinen jüdischen Minderheit des Mittelmeerstaats angehört. Im verfilzten Einparteistaat Ben Alis wäre für einen wie ihn kein Platz gewesen.

Einstecken lernen
Man habe ihm beim Amtsantritt im November 2018 geraten, einstecken zu lernen und nicht auf jeden Angriff zu reagieren, erzählt Trabelsi beim Treffen mit der NZZ. Also habe er geschwiegen und sich an die Arbeit gemacht. Als der tunesische Ministerpräsident Youssef Chahed seinen Namen ins Spiel gebracht hatte, hagelte es Kritik aus Teilen der Öffentlichkeit und von Abgeordneten aus dem panarabisch-nationalistischen Lager. «Die einen werfen mir vor, ich sei Zionist. Die Nächsten, ich sei nicht gebildet genug, und die Dritten sagen, es gebe einen Interessenkonflikt zwischen meinem Amt und meiner Firma», sagt Trabelsi. «Das tun sie doch nur, weil sie sich nicht trauen, öffentlich zu sagen, dass sie keinen Juden als Minister haben wollen.»

René Trabelsi ist der erste jüdische Minister Tunesiens seit den 1950er Jahren und derzeit der einzige in der arabischen Welt. Konkrete Vorwürfe gegen seine Person gab es wenige, dafür zweifelte mancher Abgeordnete an der Loyalität des Ministers gegenüber dem tunesischen Staat. Gerüchte machten die Runde, Trabelsi besitze neben der tunesischen und der französischen auch die israelische Staatsangehörigkeit.

Tunesien unterhält zwar keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu Israel, allerdings reisen zur jährlichen Pilgerfahrt zur La-Ghriba-Synagoge auf Djerba mit einer Sondererlaubnis auch israelische Staatsbürger ein. René Trabelsi ist einer der Veranstalter der Pilgerfahrt, sein Vater Perez ist Vorsitzender des Organisationskomitees. Zur Zeit der Staatsgründung Israels 1948 lebten noch mehr als 100 000 Juden in Tunesien. Viele verliessen das Land nach der tunesischen Unabhängigkeit 1956 und dem Sechstagekrieg 1967 nach Europa oder Israel. Heute zählt die jüdische Gemeinde in Tunesien nur noch rund 1500 Mitglieder.

Tunesische Tourismusbranche begeistert
Ausser einem kurzen Dementi zur israelischen Staatsangehörigkeit tat Trabelsi nach seinem Amtsantritt, wie ihm geraten worden war: Er mied die tunesischen Medien und schwieg beharrlich zu allen Themen, die seine Person betrafen. Die Taktik ging auf: Nach wenigen Tagen interessierte sich kaum noch jemand für die Personalie René Trabelsi.

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